Elfen-Freunde stoppen Straßenbauprojekt in Island

eingetragen in: Allgemein 0
| 10.37 Uhr
Ein Vulkan von innen

Ein Vulkan von innen
Reykjavik . Straßenbauprojekte werden oftmals aus Naturschutzgründen verzögert oder gar gestoppt. Doch auf Island wird nicht nur auf Flora und Fauna, sondern auch auf Elfen Rücksicht genommen – nicht nur zur Weihnachtszeit.

Im Land aus Feuer und Eis, wo der Nebel über den Lavafeldern für gespenstische Stimmung sorgt, erzählt man sich Geschichten vom unsichtbaren Volk, den Elfen, die Islands Wildnis bevölkern. Legende oder nicht, auch die unsichtbaren Bewohner der Insel haben dort mittlerweile ihre Fürsprecher.

Diese haben sich nun mit Naturschützern zusammengetan, um gegen den Bau einer Schnellstraße zu kämpfen. Sie üben Druck auf den isländischen Ausschuss für Straßen- und Küstenbau aus, um den Bau der Straße zu stoppen, die die Halbinsel Álftanes, wo auch der Präsident ein Haus hat, mit der Hauptstadt Reykjavik verbinden soll.

Die geplante Route führt den Aktivisten zufolge durch Elfengebiet, im Weg soll gar eine Elfenkirche stehen. Mehrfach konnte die Gruppe names Freunde der Lava Hunderte Menschen mobilisieren, die sich den Bulldozern in den Weg stellten. Der Oberste Gerichtshof Islands hat das Projekt einstweilig gestoppt, bis es über den Einspruch urteilt.

Es ist nicht das erste Mal, dass bei Bauvorhaben Rücksicht auf das Huldufolk, das verborgene Volk, genommen wird. Das Straßenbauamt hat eine standardisierte Antwort auf Presseanfragen im Zusammenhang mit Elfen verfasst. In der heißt es, „die Angelegenheit wurde einstweilig beigelegt, indem das Bauvorhaben verschoben wurde, bis die dort sesshaften Elfen weitergezogen sind“.

Obwohl sich die Freunde der Lava vor allem dem Naturschutz verschrieben haben, betrachten sie die Elfen-Angelegenheit vor dem Hintergrund der Geschichte und Kultur der einzigartigen Natur auf Island. Ragnhildur Jónsdóttir ist Aktivistin und gehört den Freunden der Lava an. Sie sagt, sie sei Seherin und könne per Telepathie mit den Wesen kommunizieren. „Es wäre ein schrecklicher Verlust und würde der Welt der Elfen und uns Menschen schaden“, sagt Jónsdóttir.

Der isländische Naturschützer Andri Snær Magnason gibt an, seine größte Sorge sei, dass die Straße durch ein Lavafeld führen würde und Vogelbrutstätten zerstören könnte. „Einige empfinden das Elfen-Ding als etwas nervig“, räumt Magnason ein. Er selbst wisse nicht, ob sie existierten. Allerdings gibt er zu bedenken: „Ich habe in einer Kirche vor einem Gott geheiratet, der genauso unsichtbar ist wie die Elfen. Was also zunächst abwegig klingt, ist eigentlich gewöhnlich“.

In der skandinavischen Folklore wimmelt es von Elfen und Trollen. Die meisten Menschen in Norwegen, Schweden und Dänemark glauben nicht mehr an das Sagenhafte. Doch vielen von Islands 320 000 Einwohner scheint der Glaube an Elfen nicht abwegig: Bei einer Umfrage der Universität von Island 2007 gaben immerhin 62 Prozent von 1000 Befragten an, es sei nicht auszuschließen, dass Elfen existierten.

Auch zur Weihnachtszeit spielen sagenhafte Gestalten eine Rolle: In der Vorweihnachtszeit bis zum Heiligabend werden die Isländer von 13 Trollen heimgesucht, den Weihnachtskerlen. Diese rauen Burschen verteilen Geschenke, strafen unartige Kinder oder haben anderen Schabernack im Sinn. Der zwergenhafte Stúfur etwa isst angebrannte Krusten aus Pfannen, Pottaskefill macht sich lieber über die Reste in Töpfen her und Hurdaskellir ist dafür berüchtigt, dass er mit Türen knallt.

Eine von Islands berühmtesten Töchtern, die Sängerin Björk, antwortete auf die Frage des US-Fernsehtalkers und Komikers Stephen Colbert, ob ihre Landsleute an Elfen glaubten, frei heraus: „Ja, tun wir!“. Es gehe um eine Art der Beziehung zur Umwelt. „Wissen Sie, es geht um Respekt“, stellte die Musikerin fest.

Terry Gunnell, Professor für Folklore an der Universität von Island, sagt es sei nicht weiter erstaunlich, dass der Glaube an Elfen auf Island so weit verbreitet sei. „Dieses ist ein Land, in dem dein Haus von unsichtbaren Kräften wie Erdbeben zerstört werden und der Wind dich von den Füßen fegen kann. Der leichte Geruch von Schwefel im Leitungswasser erinnert dich daran, dass unsichtbare Lava weit unter der Erde brodelt“, sagt Gunnell.

„Kurz gesagt, sind sich alle bewusst, dass das Land ein Eigenleben hat und die Geschichten vom unsichtbaren Volk und die Rücksicht, die darauf genommen wird, deuten auf ein Verständnis dafür hin, dass der Umwelt Respekt gezollt werden muss“. In Island lebten die Menschen weiterhin in enger Eintracht mit der wilden Natur, erklärt Gunnell. Selbst vor den Toren der Hauptstadt Reykjavik gebe es noch weite Flächen unberührter Natur.

Der isländische Schriftsteller Hilmar Gunnarsson erinnert sich gerne an eine Geschichte, die ihm seine Großmutter über eine freche Elfe berichtete. „Sie erzählte mir, dass eine ihrer Scheren verschwand und sie sich sicher sei, dass eine Elfe sie geliehen habe“, sagt Gunnarsson. Sie habe nicht wahrhaben wollen, dass sie die Schere verlegt habe und habe auch keine neue kaufen wollen. „Sie sagte, die Elfe würde sie zurückbringen, wenn sie damit fertig sei“. Die Schere tauchte schließlich auch wieder auf.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert